Die gewünschte Entwicklung der Blau-bronzegeschuppten im Mutterland Frankreich

Posted on: 14. November 2020, by :

(CCD-Sommertagung 2020 in Reckendorf: Im Anschluss unserer Tierbesprechung referierte unser Zuchtwart Jürgen Schulz (Lüchow-Dannenberg) darüber, wie er die gewünschte Entwicklung der Blau-bronzegeschuppten in Mutterland Frankreich interpretiert. Seinen Vortrag hat er für uns hier noch einmal in Wort und Bild gefasst. Vielen Dank Jürgen!)

Vortrag unseres Zuchtwartes Jürgen Schulz bei der Tierbesprechung zur Jungtierschau am 27. September 2020 in Reckendorf

Meine lieben Züchterfreunde!

Ich möchte Euch alle heute mitnehmen auf eine Reise der Blau-bronzegeschuppten. In den letzten Jahren gab es ausgerechnet bei diesem Standard-Farbenschlag immer wieder Fragestellungen, wohin denn die Reise gehen werde, denn die Bewertungen bei den Cauchois-Europaschauen ließen diese „Linie“ nicht klar erkennen, obwohl wir doch diese Schauen als richtungweisend für uns ansehen. Im Jahresrundschreiben und in den Schauberichten der letzten Saison hatte ich diese Aussprache schon begonnen und ich lege Wert auf die Feststellung, dass diese meine Ausführungen der Versuch einer Kommentierung der Meinung und Auffassung der französischen Freunde sein soll – und nicht etwa der Versuch, den deutschen Züchtern hier eine Meinung anhand meiner eigenen Tiere aufzudrücken nach dem Motto „so wie meine Tiere müssen nun alle aussehen“. Ich hatte in einem der letzten Rundschreiben und auf unserer neuen Webseite die Ausführungen unseres französischen Freundes Bernard Couden über seinen Richtauftrag der Blau-bronzegeschuppten bei der letzten Cauchois-Europaschau in Mesnil sur Oger in deutscher Übersetzung veröffentlichen lassen. Diese Ausführungen sind an dieser Stelle hochinteressant und sind die Basis für meine Kommentierung.

Also beginnen wir mit der kleinen Reise. Ihr Anfang geht zurück in das Jahr 2013. Ich war alleiniger deutscher Teilnehmer beim französischen Championat mit Cauchois-Europaschau in Chambery in den französischen Alpen. Mitten im Dezember! Aber Schnee sahen wir nur auf den Gipfeln der Berge. Die Reise war völlig problemlos. Sie führte in eine wunderschöne Provinzhauptstadt von Savoyen mit einer großartigen französischen Nationalen Taubenschau. Aber sie führte dort auch zu Blau-bronzegeschuppten, wie sie mir bis dahin noch nicht begegnet waren. Gleich reihenweise wurden Tiere gezeigt mit sehr hellem Blau in Bauch- und Schuppungsgrundfarbe und sehr dunklem Bronze in der Schildfarbe. Mehrere Tiere wurden mit 97 Punkten herausgestellt. Ich war sehr überrascht. Irgend etwas musste innerhalb eines Jahres seit der letzten internationalen Cauchoisschau geschehen sein, was uns nicht erreicht hat. Die Tiere gefielen auch mir sehr gut, weil ihre Ausstrahlung wohl außer Frage steht. Aber mir fiel schon damals auf, dass das Bronze relativ stumpf war, also keinen Glanz hatte und von „leuchtender Farbe“ nicht unbedingt die Rede sein konnte.

Am Tag nach der Bewertung war relativ viel Zeit für fachlichen Austausch und mein Freund Bernard Couden, den ich schon seit seinem Besuch 1974 bei unserer Jungtierschau in Ebermannstadt kenne und schätze, nahm sich alle Zeit der Welt, um ausführlich mit mir die Blau-bronzegeschuppten durchzusprechen. Am Ende stand seine Feststellung: „Jürgen, Deine Tauben sind wunderschön, aber sie haben die falsche Farbe.“

Das erste Tier, das ich Euch heute hier vorstellen möchte, entspricht dieser damaligen Aussage. Es ist eine sehr schöne Täubin, mit guter Bauchfarbe und sehr schönem Schuppungsbild. Auch die gewünschten Farbreserven in den Schwingen sind gut ausgeprägt. Die Schildfarbe ist leuchtend, aber relativ hell im Farbton. Wir wissen ja, dass sich diese beiden Farbtöne schon historisch aus alten Schriften herleiten lassen, nämlich das „couleur de feu“, feuerfarbig, und das „couleur de marron“, maronen- oder mahagonifarbig. Die hellere Variante, das couleur de feu, ist nach Bernards Aussagen, so muss man das deuten, im Mutterland Frankreich nicht mehr favorisiert. Die dunkle Variante, das mahagonifarbig, wird bevorzugt.

An dieser Stelle bekommt nun der Schaubericht über den Richtauftrag von Bernard Couden in Mesnil sur Oger 2019 Bedeutung. Er verlangt dort ein möglichst helles Blau. Kopf- und Halsfärbung mit möglichst viel Grünglanz. Die Schildfarbe Dunkelbronze und dennoch bei alledem möglichst ausgeprägte Farbreserven in den Schwingen. Wenn man seine blumenreichen Ausführungen auf den Punkt bringen will, dann würde ich annehmen, die Blau-Bronzegeschuppten sollen im Ideal so sein, wie die Blauen mit bronze Binden, nur eben nicht mit Binden, sondern mit Schuppung! Leichter gesagt als getan, denn dieses Ideal ist in seinem endgültigen Ziel weder in Frankreich noch in Europa bisher erreicht. Denn Bernard Couden erläutert in dem angesprochenen Bericht von Mesnil sur Oger, dass alle Tiere beim Grünglanz im Hals noch viel Luft nach oben haben und in vielen Fällen auch die Farbreserven in den Schwingen noch deutlicher werden können und müssen. Aber es tröstet doch zu wissen, dass die Tauben ja nach dem jeweilen Zuchtstand zu bewerten sind.

Auf meinem Weg zu diesen Zielvorstellungen möchte ich Euch hier Taube 2 vorstellen. Eine schöne Täubin mit fester Feder, guter Bauchfarbe, hellem Kopf und Hals mit dem gewünschten Grünglanz. Auch mit schönem Schuppungsbild und durchaus auch Farbreserven in den Schwingen, aber die Schildfarbe ist relativ matt und stumpf. Das gesamte Tier wirkt wie mit etwas Puder überzogen.

Taube 3 ist ein Täuber mit sehr schöner heller Kopf- und Halsfarbe, mit dem gewünschten Grünglanz und einem sehr schönen Farbschnitt auf der Brust zwischen Halsfarbe und Bauchfarbe. Die Bauchfarbe ist sauber durchgefärbt und hell. Ich finde, geradezu ideal. Auch das Schuppungsbild ist überzeugend und die Schildfarbe ist ein dunkles Bronze. Die Schildfarbe ist aber für meine Begriffe noch relativ stumpf. Ein Blick auf die Farbreserven in den Schwingen offenbart das Geheimnis. Die Innenfahnen der Schwungfedern sind hellgrau. Farbreserven in der Farbe des Flügelschildes fehlen fast völlig. Hier bewahrheitet sich wieder die alte Erkenntnis, dass sich Blau und Bronze gegenseitig beeinflussen. Je heller das Blau, desto schwieriger (und stumpfer) das Bronze. Eine Gesetzmäßigkeit, die es zu bedenken und zu beachten gilt. Und wohl auch der Grund, weshalb uns in den letzten Jahren bei den europäischen Spitzenschauen blau-bronzegeschuppte Spitzentiere mit dunklem Bronze, aber meist recht stumpf in der Schildfarbe präsentiert wurden. Ich würde an dieser Stelle gern mit den französischen Freunden darüber diskutieren, dass sie uns seit Jahrzehnten beigebracht haben, dass die Farben der Cauchois stets leuchtend sein sollen. Dieses Attribut ist hier so noch nicht erreicht!

Das vierte Tier, das ich Euch hier heute präsentiere, ist eine typhafte Täubin, die aber in Kopf- und Halsfarbe nicht dunkler und mit noch mehr Grünglanz sein sollte. Dies erklärt aber vielleicht, dass sie für eine Täubin eine ungewöhnlich dunkle und satte Schildfarbe zeigt mit sehr hellem Blau in der Schuppung. Der letztlich ideale Weg kann aber auch diese Taube noch nicht sein, denn – wie gesagt – in Kopf und Hals sollte sie nicht dunkler und mit mehr Grünglanz sein. Und auch hier offenbart der Blick auf die Farbreserven in den Schwingen, dass hier noch Aufholbedarf besteht.

Kommen wir jetzt zu meiner persönlichen Problemlösung, oder meiner Antwort zu den Vorgaben, die uns Bernard Couden in seinen Ausführungen gemacht hat. Als Taube 5 möchte ich Euch hier eine Täubin vorstellen, die meines Erachtens all die Idealvorstellungen erfüllt: sie ist sehr schön hell in der Kopf- und Halsfarbe mit viel Grünglanz, hat insgesamt ein sehr schön helles Blau in der Bauch- und Schuppungsfarbe und zeigt dabei ein sauberes und dunkles Bronze im Flügelschild. Das Schönste dabei ist der Blick auf die Farbreserven in den Schwingen: sowohl die Handschwingen als auch die Deckfedern 1. Ordnung sind satt und sauber durchgefärbt mit Bronze! Wir sehen an diesem Beispiel, dass es eine Gen-Kombination gibt, die alle Vorgaben möglich macht, nämlich helles Blau, viel Grünglanz in Kopf und Hals, satte dunkle Schildfarbe und Farbreserven in den Schwingen! Diese Taube dient hier nur als Beispiel. Sie wird keinen Schaukäfig mehr sehen und ausschließlich der Zucht dienen, weil ihr Schuppungsbild etwas zu grob ist und eine Idee zu viel Blauanteile zeigt.

Wir schließen unsere Reise zu den Idealvorstellungen der Blau-bronzegeschuppten mit einem Bruder der eben vorgestellten Täubin, also Taube 6. Er zeigt ebenfalls die beschriebenen Ideale in hohem Maße: extrem helles Blau und sattes leuchtendes Bronze – untermauert von reinen und satten Farbreserven in den Schwingen und auch in den Deckfedern 1. Ordnung. Für mich mein persönlicher Weg zu den Idealen aus Bernard Coudens Beschreibungen (der Täuber hier dürfte noch etwas reiner im Übergang von Hals- auf Bauchfarbe sein und vielleicht noch etwas „sortierter“ im Schuppungsbild). Die Anfänge sind gemacht. Aus meiner Sicht gibt es offenbar eine Gen-Kombination, die alle diese Vorgaben möglich macht. Das hätte ich früher nicht geglaubt. Über diesen Weg wollte ich gern mit Euch diskutieren und Eure Meinung hören. Die Tatsache, dass hier schon mindestens 3 Züchterfreunde diesen Täuber gern erwerben würden, zeigt mir, dass dieser Weg offenbar von Euch geteilt wird und der richtige zu sein scheint. Ich jedenfalls werde ihn nach Kräften fortsetzen. Ich stehe jetzt für Fragen zur Verfügung und danke herzlich für Eure Aufmerksamkeit!

Zur Nachbetrachtung wollen wir noch einen Blick auf die Idealfärbung werfen, wie sie uns immer wieder von den französischen Freunden gelehrt wurde. Das couleur de marron, also das kastanienfarbig. Es heißt immer, die Schildfarbe soll sich an der Farbe einer frisch aus der Hülle gefallenen Kastanie orientieren. Wir sehen hier, dass auch die Farbe der Kastanie durchaus variiert. Immer ist sie aber ein dunkles Bronze.